19.10.2006, 09:42
Zeitgleich zum großen Schlag ausgeholt
Verdacht des Menschenhandels und des Einschleusens von Frauen aus Osteuropa/ Prostituierte ausgebeutet
Vom 19.10.2006, Von Wolfgang Degen
WIESBADEN Rund ein Jahr wurde ermittelt: Gestern holten Staatsanwaltschaft und Polizei dann aus zum großen Schlag gegen eine Bande von Deutschen und Russen, die Frauen aus Osteuropa eingeschleust und als Prostituierte ausgebeutet haben soll.
Über 150 Polizeibeamte waren im Einsatz, am frühen Vormittag wurden die Hauptverdächtigen zeitgleich festgenommen. Wegen des Verdachts des Menschenhandels und banden- und erwerbsmäßigem Einschleusens. Vorausgegangen sind gemeinsame Ermittlungen der Polizeipräsidien in Wiesbaden, Gießen, Frankfurt und Mainz. Geführt wird das Ermittlungsverfahren von der Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt.
Als Kopf der Bande gilt ein Geschäftsmann aus dem Raum Gießen. Der 40-jährige Deutsche, der unter anderem mit Immobiliengeschäften aktiv war, organisierte die Terminwohnungen und die Werbung, mit der die Dienste der Frauen angepriesen wurden. Eine 38-jährige Mitarbeiterin, auch sie Deutsche, kümmerte sich um das Organisatorische des einträglichen Geschäfts.
Vor Ort in Wiesbaden war das die Aufgabe eines 41-jährigen Russen. Er holte die Frauen, die mit hervorragend gefälschten Pässen und Visa nach Deutschland geholt wurden, an Flughäfen ab, er brachte sie in verschiedenen Wohnungen unter, er kassierte auch ab. Der Festgenommene war schon 2002 der Polizei aufgefallen. Ein weiterer Russe aus Wiesbaden soll mit seinem Zimmer-Reisebüro bei den Visa geholfen haben.
Nicht nur aufgefallen, sondern auch einschlägig vorbestraft ist ein Frankfurter Rechtsanwalt. Er und seine Büroleiterin, die auch seine Lebensgefährtin ist, wurden ebenfalls festgenommen. Der Anwalt steht unter Bewährung. Das Landgericht Frankfurt hatte ihn im Dezember 2005 zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Das Organ der Rechtspflege hatte seine Funktion missbraucht, beim Einschleusen der Illegalen geholfen. Laut Urteil vom Dezember wurden in der Kanzlei mindestens in fünf Fällen falsche Aufenthaltsanträge formuliert. So war den Frauen nach Ablauf der Visa die Verlängerung ihrer Arbeit möglich. Der Anwalt hatte die Zulassung behalten; nun droht deren Verlust. Der Anwalt sei in neue Fälle verwickelt. Bei ihm seien auch einige der Original- Pässe, die man den Frauen abgenommen hatte, deponiert gewesen.
Insgesamt wurden gestern 40 Terminwohnungen, in denen die Frauen ihre Freier empfingen, sowie einige Geschäftsräume durchsucht. Neben Wiesbaden und Mainz auch in Gießen, Wetzlar, Frankfurt oder Bad Homburg. Nach Angaben von Einsatzleiter Rolf Seip, Leiter der Kriminaldirektion in Wiesbaden, seien es hier sechs Terminwohnungen gewesen, in denen sieben Frauen angetroffen wurden. Gestern wurden insgesamt 25 Frauen festgestellt. Weitere Opfer der Ausbeuter waren bereits bei früheren Razzien festgenommen worden. Ihre Angst vor Repressalien gegen sie oder ihre Angehörige in der Heimat ist groß. Zur Zusammenarbeit mit der Polizei ist kaum eine bisher bereit. Daran ändert auch nicht, dass Frauenhilfsorganisationen eingeschaltet sind.
Die Frauen im Alter von 19 bis 31 Jahren wurden aus der Ukraine, Weißrussland und Staaten der Russischen Förderation geholt. Sie wurden mit gefälschten litauischen Pässen ins Land gebracht. Sie kamen über die Flughäfen Frankfurt, Hahn und Stuttgart. Nur teilweise wurden die Frauen mit falschen Versprechungen geködert, etwa mit einem Job als Kellnerin. Andere wussten haargenau, was sie im Westen tun sollten.
In welchem Wissen auch immer sie kamen, ausgebeutet wurden sie ohne Unterschied: Ihnen wurde eine hohe Wochenmiete für den "Arbeitsplatz" abgeknöpft, zugleich hatten sie den überwiegenden Teil der Einnahmen abzuliefern. In einem Fall hatte die Betroffene binnen weniger Monate rund 50 000 Euro verdient, behalten durfte sie aber nur 2500 Euro. Und davon wurden noch 450 Euro pro Woche Miete für das Zimmer abgezogen. Diese Ausbeutung ist durch Unterlagen belegt.
Über die Einnahmen der Frauen waren die Ausbeuter stets im Bilde: An den Türen der Wohnungen waren Kameras installiert, die Zahl der Freier, deren Verweildauer, die Rückschlüsse auf den Service zuließ, war dokumentiert. Die Einnahmen der Frauen waren transparent, sie konnten nichts auf die Seite schaffen.
http://www.wiesbadener-kurier.de/region/...id=2569130
Verdacht des Menschenhandels und des Einschleusens von Frauen aus Osteuropa/ Prostituierte ausgebeutet
Vom 19.10.2006, Von Wolfgang Degen
WIESBADEN Rund ein Jahr wurde ermittelt: Gestern holten Staatsanwaltschaft und Polizei dann aus zum großen Schlag gegen eine Bande von Deutschen und Russen, die Frauen aus Osteuropa eingeschleust und als Prostituierte ausgebeutet haben soll.
Über 150 Polizeibeamte waren im Einsatz, am frühen Vormittag wurden die Hauptverdächtigen zeitgleich festgenommen. Wegen des Verdachts des Menschenhandels und banden- und erwerbsmäßigem Einschleusens. Vorausgegangen sind gemeinsame Ermittlungen der Polizeipräsidien in Wiesbaden, Gießen, Frankfurt und Mainz. Geführt wird das Ermittlungsverfahren von der Eingreifreserve der Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt.
Als Kopf der Bande gilt ein Geschäftsmann aus dem Raum Gießen. Der 40-jährige Deutsche, der unter anderem mit Immobiliengeschäften aktiv war, organisierte die Terminwohnungen und die Werbung, mit der die Dienste der Frauen angepriesen wurden. Eine 38-jährige Mitarbeiterin, auch sie Deutsche, kümmerte sich um das Organisatorische des einträglichen Geschäfts.
Vor Ort in Wiesbaden war das die Aufgabe eines 41-jährigen Russen. Er holte die Frauen, die mit hervorragend gefälschten Pässen und Visa nach Deutschland geholt wurden, an Flughäfen ab, er brachte sie in verschiedenen Wohnungen unter, er kassierte auch ab. Der Festgenommene war schon 2002 der Polizei aufgefallen. Ein weiterer Russe aus Wiesbaden soll mit seinem Zimmer-Reisebüro bei den Visa geholfen haben.
Nicht nur aufgefallen, sondern auch einschlägig vorbestraft ist ein Frankfurter Rechtsanwalt. Er und seine Büroleiterin, die auch seine Lebensgefährtin ist, wurden ebenfalls festgenommen. Der Anwalt steht unter Bewährung. Das Landgericht Frankfurt hatte ihn im Dezember 2005 zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt.
Das Organ der Rechtspflege hatte seine Funktion missbraucht, beim Einschleusen der Illegalen geholfen. Laut Urteil vom Dezember wurden in der Kanzlei mindestens in fünf Fällen falsche Aufenthaltsanträge formuliert. So war den Frauen nach Ablauf der Visa die Verlängerung ihrer Arbeit möglich. Der Anwalt hatte die Zulassung behalten; nun droht deren Verlust. Der Anwalt sei in neue Fälle verwickelt. Bei ihm seien auch einige der Original- Pässe, die man den Frauen abgenommen hatte, deponiert gewesen.
Insgesamt wurden gestern 40 Terminwohnungen, in denen die Frauen ihre Freier empfingen, sowie einige Geschäftsräume durchsucht. Neben Wiesbaden und Mainz auch in Gießen, Wetzlar, Frankfurt oder Bad Homburg. Nach Angaben von Einsatzleiter Rolf Seip, Leiter der Kriminaldirektion in Wiesbaden, seien es hier sechs Terminwohnungen gewesen, in denen sieben Frauen angetroffen wurden. Gestern wurden insgesamt 25 Frauen festgestellt. Weitere Opfer der Ausbeuter waren bereits bei früheren Razzien festgenommen worden. Ihre Angst vor Repressalien gegen sie oder ihre Angehörige in der Heimat ist groß. Zur Zusammenarbeit mit der Polizei ist kaum eine bisher bereit. Daran ändert auch nicht, dass Frauenhilfsorganisationen eingeschaltet sind.
Die Frauen im Alter von 19 bis 31 Jahren wurden aus der Ukraine, Weißrussland und Staaten der Russischen Förderation geholt. Sie wurden mit gefälschten litauischen Pässen ins Land gebracht. Sie kamen über die Flughäfen Frankfurt, Hahn und Stuttgart. Nur teilweise wurden die Frauen mit falschen Versprechungen geködert, etwa mit einem Job als Kellnerin. Andere wussten haargenau, was sie im Westen tun sollten.
In welchem Wissen auch immer sie kamen, ausgebeutet wurden sie ohne Unterschied: Ihnen wurde eine hohe Wochenmiete für den "Arbeitsplatz" abgeknöpft, zugleich hatten sie den überwiegenden Teil der Einnahmen abzuliefern. In einem Fall hatte die Betroffene binnen weniger Monate rund 50 000 Euro verdient, behalten durfte sie aber nur 2500 Euro. Und davon wurden noch 450 Euro pro Woche Miete für das Zimmer abgezogen. Diese Ausbeutung ist durch Unterlagen belegt.
Über die Einnahmen der Frauen waren die Ausbeuter stets im Bilde: An den Türen der Wohnungen waren Kameras installiert, die Zahl der Freier, deren Verweildauer, die Rückschlüsse auf den Service zuließ, war dokumentiert. Die Einnahmen der Frauen waren transparent, sie konnten nichts auf die Seite schaffen.
http://www.wiesbadener-kurier.de/region/...id=2569130