Die Geschichten des Herrn O.
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Zitat: Die Sache ist aber nicht nur politisch anrüchig. Sie kann, wegen Bruchs des Ermittlungsgeheimnisses oder versuchter Strafvereitelung im Amt, auch strafrechtliche Konsequenzen haben.
Grundsätzlich ist das Ermittlungsgeheimnis zu wahren. Auskünfte darf lediglich der Anwalt des Beschuldigten erhalten, nicht einmal der Delinquent selbst oder gar ein Dritter wie Klimmt. Der Justizminister hätte deshalb dem SPD-Fraktionschef keinerlei Zusagen --- S.35 geben dürfen, ihn über den Stand des Ermittlungsverfahrens gegen Lacour zu informieren.
Als verbotener Eingriff in ein Verfahren gilt bereits, wenn Ermittlungsdetails an Dritte ausgeplaudert werden, denn dadurch könnten Nachforschungen erschwert oder gar verhindert werden.
"Wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, daß ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird", heißt es schließlich im Strafgesetzbuch, dem drohen bis zu fünf Jahren Gefängnis. Auch der Versuch ist strafbar.
Justizminister Walter war trotz einer ersten Zusage am Freitag voriger Woche für den SPIEGEL plötzlich nicht mehr zu erreichen. Klimmt dagegen, mit den Vorwürfen konfrontiert, bestreitet gar nicht, für seinen alten Duz-Freund Lacour interveniert zu haben. Einen entsprechenden Aktenhefter mit der Korrespondenz gibt er bereitwillig zur Einsicht heraus. Daß er die Grenzen des Gesetzes überschritten und die Gebote politischer Klugheit mißachtet hat, mag er nicht erkennen.
Es gehöre schließlich zu den Aufgaben eines Politikers, argumentiert er, "Menschen im Grenzbereich der Gesellschaft zu helfen". Ein edler Versuch also zur Resozialisierung eines Gestrauchelten beizutragen?
Die wäre bei Lacour tatsächlich dringend geboten. Vielfach attestierten ihm Saarbrücker Richter, er sei "gefährlich" und "gefürchtet". Seine Vorstrafen füllen dicke Aktenordner: verbotenes Glücksspiel, Betrug, Körperverletzung, bewaffneter Raubüberfall und am Ende die Mordanklage.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende sagt, dies alles sei ihm bekannt gewesen: "Lacour war hier ein böser Bube." Deshalb, gesteht Klimmt zu, seien seine Briefe an den Delinquenten heute "interpretierbar".
Er weist aber jeden Verdacht von sich, er habe dem alten Kumpan besondere Gefälligkeiten erwiesen oder gar, wegen gemeinsamer dunkler Punkte aus der Vergangenheit, erweisen müssen. Er habe sich beim Justizminister Walter lediglich erkundigt, ob das Ermittlungsverfahren im Mordfall Weirich eingestellt sei oder nicht.
Doch solche Erklärungen sind wenig plausibel. Für einen simplen Sachstandsbericht hätte es kaum mehrerer Gespräche mit dem Justizminister bedurft. Und außerdem hat Lacour ja auch noch einen Rechtsanwalt.
Nicht nur Lafontaines Wahlkampfmanager hat sich um einen Kumpel gekümmert. Auch der Chef selbst hat einen alten Kneipenkumpan mit Wohltaten versorgt - im Staatsdienst: Er holte einen ehemaligen Anführer der gefürchteten Rockerbande "Road Gang", den stadtbekannten Schläger und Lacour-Spezi Totila Schott, 51, als Mädchen für alles in seine Staatskanzlei.
Ebensowenig wie Klimmt im Fall Lacour hatte Lafontaine Berührungsängste gegenüber seinem Rockerfreund. In der Regierungszentrale des kleinen Sonnenkönigs an der Saar war der durchtrainierte Schott von 1988 bis zum Jahreswechsel 1992/93 für die Betreuung der Gäste verantwortlich.
Als hilfreich erwies sich der Karatekämpfer ("Einen Schlagring brauchte ich nie") nicht nur im Amt. Wenn Lafontaine in seinem Privathaus Prominente empfing, war der Ex-Rocker mit dem geflochtenen Pferdeschwänzchen oft mit von der Partie. So etwa im Mai 1988, als der Saar-Ministerpräsident seinen damaligen baden-württembergischen Amtskollegen Lothar Späth (CDU) von Schott am heimischen Herd bekochen ließ.
Der Spezi schwang für Lafontaine nicht nur den Kochlöffel. Ausgerechnet der polizeibekannte Schott sollte ab 1989 für die Sicherheit des stellvertretenden SPD-Vorsitzenden sorgen, der ein Jahr später, im April 1990 beim Attentat einer Geistesgestörten, schwer verletzt wurde. Zum Entsetzen der Polizei verwandte sich die Staatskanzlei dafür, daß Lafontaines Kumpel aus dem Rocker- und Zockermilieu mit einer großkalibrigen Schußwaffe ausgerüstet wurde.
Die Beamten konnten es, so ein Beteiligter, kaum fassen, als sie durch ein internes Papier aus Läpples Innenministerium erfuhren, "Herr Schott, Totila" sei nun "Regierungsangestellter der Staatskanzlei" und müsse im Umgang mit "seiner Schußwaffe (Rev. .38 Spez.)" unterwiesen werden.
Am 24. April 1989 meldete Polizeihauptkommissar Breunig von der Waffenmeisterei Saarbrücken der "Polizeiinspektion für Sonderdienste" schriftlich Vollzug: "Die Unterweisung des Herrn Schott, Totila, erfolgte auftragsgemäß." Und nicht nur das: Schott sei angeboten worden, zur Vervollkommnung "seiner Schießfertigkeit" auch künftig bei der Polizei zu trainieren, auf Staatskosten "unter Anleitung eines Waffen- und Schießausbilders".
Dabei muß Schott Vorzugsbehandlung genossen haben: Kein Normalbürger darf ohne behördliche Erlaubnis Munition kaufen oder eine Schußwaffe mit sich herumtragen, geschweige denn, sie benutzen, auch nicht im Schießkino der Polizei.
Daß Schott dennoch auf dem Schießstand üben durfte, war Saarbrücker Ordnungsbeamten zunächst "ein Rätsel". Die Behörde hatte nie einen Waffenschein für Schott ausgestellt, und "im Normalfall", so Jürgen Wohlfarth vom Rechts- und Ordnungsdezernat, "sind wir zuständig".
Erst Recherchen des Amts ergaben, daß Schott eben kein Normalfall war. Läpples Innenministerium hatte ihm auf Wunsch der Staatskanzlei fix eine "Bescheinigung" ausgestellt.
Das war ganz einfach: Die Staatskanzlei teilte dem Innenministerium kurz mit, der Lafontaine-Freund mit den Flecken auf der Biographie sei gelegentlich --- S.36 auch mit dem Schutz des Ministerpräsidenten beauftragt. Und schon galt Oskars "Mundschenk und Hofmarschall" (Saarbrücker Zeitung) als Träger "hoheitlicher Aufgaben", der, weil "erheblich gefährdet" (Waffengesetz), seinen Bärentöter stets bei sich tragen durfte. Eine Stellungnahme dazu verweigerte das Innenministerium am Freitag voriger Woche ausdrücklich.
Solche Methoden entsprechen ganz dem Stil Lafontaines. Er läßt sich von niemandem außer Intimus Klimmt in die Regierungsgeschäfte hineinreden und zieht, weltläufiger Bonvivant, am liebsten über die spießigen "Sesselfurzer" in Behörden und Parteien her - seine eigene Partei eingeschlossen.
Günstlingswirtschaft und Kumpanei gedeihen rasch in dem kleinen Biotop an der Saar, wo fast jeder jeden kennt und fast jeder über jeden etwas weiß. Die Landeskinder nahmen es ihrem Oskar nicht einmal sonderlich übel, daß er sich schon im frühen Alter von 42 Jahren aus den staatlichen Pensionstöpfen über Gebühr bedienen ließ.
Als "Rufmordkampagne" denunzierte Lafontaine damals die Berichterstattung der Medien und zog dann sogar Vergleiche zur Nazi-Propaganda. Letztlich prallte alles an ihm ab - ein Phänomen, das den barocken Affärenpolitiker Nummer eins, Franz Josef Strauß, zeit seines Lebens durch sämtliche Skandale von Onkel Aloys bis Starfighter rettete.
Darauf vertrauen nun auch die Spitzengenossen. Sie treten die Flucht nach vorn an, vertuschen hilft nicht viel. Es gibt zu viele Zeugen, die wissen, daß der Umgang der Mächtigen mit zwielichtigen Figuren Tradition hat.
Ausgangspunkt der nächtlichen Touren war häufig Klimmts Stammkneipe "Goethestube". Dort, wo sich die Zockerszene und die Anhänger des Fußballklubs 1. FC Saarbrücken gern treffen, hatte der SPD-Mann, Präsident der Alten Herren vom 1. FC, Lacour nach eigenem Bekunden schon Mitte der siebziger Jahre kennengelernt: "Der saß da oft am Nachbartisch."
Wenn in der "Goethestube" der Bierhahn abgedreht wurde, fand das ungleiche Paar nicht immer sofort den Weg nach Hause, sondern machte noch einen Umweg über die Bar "La Cascade". Die hatte, so Klimmt, "damals eine Nachtkonzession". Mitunter hielt "eine Flasche Whisky", wie sich der Politiker erinnert, "bis früh um acht". Bald duzten sich die beiden.
Auch Lafontaine wurde damals, was nach Meinung von Polizeibeamten jedermann in Saarbrücken weiß, "ein stadtbekannter Bargänger". Das hat der Landesvater stets gern herausgekehrt. Geschadet hat es ihm nie, nicht einmal, als er 1975 als Bürgermeister mitten im Rotlichtviertel mit Alkohol am Steuer mehrere Autos demolierte.
Höchstens Nicht-Saarländer waren überrascht, als der Sozialdemokrat in der Frauenzeitschrift Marie Claire eine Frage nach dem besten Schutz vor der Droge Macht knapp beschied: "Fressen, saufen, vögeln." Später intern angesprochen, ob er korrekt zitiert worden sei, setzte Lafontaine noch eins drauf - "die Reihenfolge" sei "anders" gewesen.
Lafontaines Freizeit war schon immer bewegt. Oft begleiteten ihn etliche seiner heutigen Mitstreiter. Und eines seiner nächtlichen Ziele in früheren Jahren war ebenfalls das Etablissement "La Cascade", das mit erlesenen Getränken, Damen und verschwiegenen Hinterzimmern aufwartete. Herr im Haus war Hugo Peter Lacour - seitdem der "liebe Hugo" genannt.
Bei Hugo tauchten alle auf: Lafontaine, Klimmt, Freunde und Weggefährten, Schott und auch die Polizei. Die stellte Schotts Rockern in der Bar nach, weil die Bande ins Zuhältergeschäft drängte und sich bei Lacour Beistand erhoffte. Die sonderbaren Kameradschaften blieben bei den Ordnungshütern nicht unbemerkt.





"Manche Leute kaufen sich von dem Geld, das sie nicht haben, Sachen,die sie nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen."
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