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Berlin um 1900:
„Fräulein, Sie warten gewiss schon lange?“
Wie heute so auch damals: die anständigen Bürger waren entsetzt. So wetterte z. B. die
„Berliner Morgenpost“ am 12. August 1899 über das immer schlimmer werdende Treiben
der „interessanten Damen“ und ihrer „Beschützer“ an der Fischerbrücke (heute: Fischer-
insel). Die Damen waren auf Freiersuche und das fand die Zeitung „umso bedauerlicher,
als die Straße vielfach von den Schülern des Köllnischen Gymnasiums in der Inselstraße
passiert wird.“
Schon früh morgens streiften die Huren ihre „Dienstuniform“ über: die Titten waren prall
hochgeschnürt und auf dem Kopf trugen sie meist einen auffälligen großen Hut – und
dann gingen sie die Gasse auf und ab. Für die suchenden Blicke der Hurengänger waren
sie kaum zu übersehen:
So ganz sicher scheinen sich unsere damaligen Mitstecher aber nicht in jedem Fall gewesen
zu sein, denn immer wieder meldeten die Zeitungen, dass allein stehende Frauen in unsittlicher
Weise zu gewissen Dienstleistungen aufgefordert wurden, nur weil sie über eine öffentliche
Straße flanierten.
Die Friedrichstraße war eines der Zentren des Berliner Straßenlebens. Hier mischten sich die
sogenannten „öffentliche Mädchen“ mehr oder weniger auffällig unter die Passanten und
gingen auf die Suche nach Kundschaft. Sie schlenderten einzeln oder zu zweit untergehakt
die Bürgersteige entlang und warfen den Männern eindeutig-zweideutige Blicke zu. Dabei
immer bemüht, den Polizisten aus dem Weg zu gehen. Denn die hatten z.B. das Recht, eine
nächtliche Straßenpassantin, die ohne männliche Begleitung war, mit aufs Revier zu nehmen.
„Sie sind wie Damen, die auf die Elektrische warten“ (Dirnenchronist Ostwald)
Zur Anbahnung von Kontakten wurden auch die Haltestellen der neuen (elektrifizierten)
Straßenbahnen genutzt. Zum Beispiel an der Friedrich- Ecke Leipziger Straße oder
Bülow- Ecke Potsdamer Straße.
Das Ansprechen der „Bordsteinschwalben“ war Sache der Männer. Und die kannten sich mit
den Gepflogenheiten natürlich aus: die Gespräche begannen mit unverfänglichen Sätzen wie
“Fräulein, Sie warten gewiss schon lange?“ oder „Die richtige Elektrische kommt doch eig-
entlich zu selten.“ Und schon war man im Gespräch und konnte die Konversation aufs wesent-
liche Thema hinlenken.
Zu den damaligen Preisen:
- Die etwas teureren Huren fand man für 20 Reichsmark an der Friedrichstraße, Unter den
Linden oder in den neuen westlichen Vororten.
- Kleinbürger, die nicht mehr als fünf Reichsmark ausgeben wollten, suchten zum Beispiel
in der Bülowstraße Entspannung.
- Und Arbeiter, die eine oder zwei Mark investieren wollten, gingen zu den Hurenmärkten am
Schlesischen Bahnhof und im Scheunenviertel (nicht zu verwechseln mit der Spandauer
Vorstadt).
_________________________
(*) Ostwald, Hans Otto August, geb. 1873, gest. 1940
Journalist, Erzähler und Kulturhistoriker
Hans Ostwald, Das Berliner Dirnentum, 10 Bände, Leipzig 1905-1907
Bd. 1. Berliner Bordelle. 1905.
Bd. 2. Die freie Prostitution im Vormärz. 1905.
Bd. 3. Mätressen in Berlin. 1906.
Bd. 4. Der Tanz und die Prostitution. 1906.
Bd. 5. Männliche Prostitution. 1906.
Bd. 6. Prostitutionsmärkte. 1907.
Bd. 7. Schlupfwinkel der Prostitution. 1907.
Bd. 8. Gelegenheitsdirnen. 1907.
Bd. 9. Dirnentypen. 1907.
Bd. 10. Ausbeuter der Dirnen. 1907.
Berlin um 1900:
„Fräulein, Sie warten gewiss schon lange?“
Wie heute so auch damals: die anständigen Bürger waren entsetzt. So wetterte z. B. die
„Berliner Morgenpost“ am 12. August 1899 über das immer schlimmer werdende Treiben
der „interessanten Damen“ und ihrer „Beschützer“ an der Fischerbrücke (heute: Fischer-
insel). Die Damen waren auf Freiersuche und das fand die Zeitung „umso bedauerlicher,
als die Straße vielfach von den Schülern des Köllnischen Gymnasiums in der Inselstraße
passiert wird.“
Schon früh morgens streiften die Huren ihre „Dienstuniform“ über: die Titten waren prall
hochgeschnürt und auf dem Kopf trugen sie meist einen auffälligen großen Hut – und
dann gingen sie die Gasse auf und ab. Für die suchenden Blicke der Hurengänger waren
sie kaum zu übersehen:
Zitat:Gewöhnlich verraten sie ihren Stand dadurch, dass sie bei der Annäherung eines Mannes
stehen bleiben, denselben mit den Augen fixieren und einige Schritte nachsehen oder dass
sie beim Vorübergehen irgendeine obszöne Melodie leise vor sich hinträllern.
Quelle: der damalige Chronist des Berliner Dirnentums, Hans Ostwald (*).
So ganz sicher scheinen sich unsere damaligen Mitstecher aber nicht in jedem Fall gewesen
zu sein, denn immer wieder meldeten die Zeitungen, dass allein stehende Frauen in unsittlicher
Weise zu gewissen Dienstleistungen aufgefordert wurden, nur weil sie über eine öffentliche
Straße flanierten.
Die Friedrichstraße war eines der Zentren des Berliner Straßenlebens. Hier mischten sich die
sogenannten „öffentliche Mädchen“ mehr oder weniger auffällig unter die Passanten und
gingen auf die Suche nach Kundschaft. Sie schlenderten einzeln oder zu zweit untergehakt
die Bürgersteige entlang und warfen den Männern eindeutig-zweideutige Blicke zu. Dabei
immer bemüht, den Polizisten aus dem Weg zu gehen. Denn die hatten z.B. das Recht, eine
nächtliche Straßenpassantin, die ohne männliche Begleitung war, mit aufs Revier zu nehmen.
„Sie sind wie Damen, die auf die Elektrische warten“ (Dirnenchronist Ostwald)
Zur Anbahnung von Kontakten wurden auch die Haltestellen der neuen (elektrifizierten)
Straßenbahnen genutzt. Zum Beispiel an der Friedrich- Ecke Leipziger Straße oder
Bülow- Ecke Potsdamer Straße.
Das Ansprechen der „Bordsteinschwalben“ war Sache der Männer. Und die kannten sich mit
den Gepflogenheiten natürlich aus: die Gespräche begannen mit unverfänglichen Sätzen wie
“Fräulein, Sie warten gewiss schon lange?“ oder „Die richtige Elektrische kommt doch eig-
entlich zu selten.“ Und schon war man im Gespräch und konnte die Konversation aufs wesent-
liche Thema hinlenken.
Zu den damaligen Preisen:
- Die etwas teureren Huren fand man für 20 Reichsmark an der Friedrichstraße, Unter den
Linden oder in den neuen westlichen Vororten.
- Kleinbürger, die nicht mehr als fünf Reichsmark ausgeben wollten, suchten zum Beispiel
in der Bülowstraße Entspannung.
- Und Arbeiter, die eine oder zwei Mark investieren wollten, gingen zu den Hurenmärkten am
Schlesischen Bahnhof und im Scheunenviertel (nicht zu verwechseln mit der Spandauer
Vorstadt).
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(*) Ostwald, Hans Otto August, geb. 1873, gest. 1940
Journalist, Erzähler und Kulturhistoriker
Hans Ostwald, Das Berliner Dirnentum, 10 Bände, Leipzig 1905-1907
Bd. 1. Berliner Bordelle. 1905.
Bd. 2. Die freie Prostitution im Vormärz. 1905.
Bd. 3. Mätressen in Berlin. 1906.
Bd. 4. Der Tanz und die Prostitution. 1906.
Bd. 5. Männliche Prostitution. 1906.
Bd. 6. Prostitutionsmärkte. 1907.
Bd. 7. Schlupfwinkel der Prostitution. 1907.
Bd. 8. Gelegenheitsdirnen. 1907.
Bd. 9. Dirnentypen. 1907.
Bd. 10. Ausbeuter der Dirnen. 1907.