26.01.2009, 08:45
Für die, die es Interessiert :
Quelle : Saarbrücker Zeitung, 26.01.2009 :
Quelle : Saarbrücker Zeitung, 26.01.2009 :
Zitat: Erschlaffendes Gewerbe
Immer mehr Prostituierte drängen auf den Sex-Markt Umsätze und Preise sinken
Saarbrücken. Die Wirtschaftskrise hat auch das saarländische Rotlicht-Milieu voll er-
fasst. Wie der Leiter des Kommissariats 5 der Saar-Kripo,
Lothar Braun, im Gespräch mit SZ-Redakteur Norbert Freund
mitteilte, gehen Umsätze und Preise deutlich zurück. Zu-
gleich nimmt die Nachfrage nach Sex ohne Kondom zu. Im
Kampf gegen Zwangsprostitution erwägt die Kripo den Ein-
satz von Street-Workerinnen.
Welche Veränderungen konnte die Kripo im Jahr 2008 im Rot-
licht-Milieu beobachten?
Braun: Sowohl die Zahl der Prostituierten als auch die Zahl
einschlägiger Etablissements hat zugenommen. Dies gilt so-
wohl für die Prostitution in Privatwohnungen als auch für
Bordelle mit gewerblicher Zimmervermietung.
Woran liegt das?
Braun: Nach wie vor kommenFrauen aus Osteuropa und ver-
stärkt auch aus Südamerika ins Saarland und gehen hier der
Prostitution nach. Zugleich gehen die Umsätze zurück.
Wieso gehen die Umsätze zurück, wenn es immer mehr Pros-
tituierte gibt?
Braun: Weil die Nachfrage
und die Preise zurückgehen.
Welche Folgen hat das für die
Prostituierten?
Braun: Prostituierte, die in Bordellen mit gewerblicher
Zimmervermietung arbeiten,zahlen eine Miete pro Tag zwi-
schen 80 und 100 Euro. Angesichts der vielerorts vorhande-
nen Dumping-Preise pro Geschlechtsakt decken die Ein-
nahmen oft nicht die Ausgaben.
Außerdem wird die Nachfrage nach Sex ohne Schutz und oh-
ne Tabus immer größer. Daher steigt die Gefahr von Ge-
schlechtskrankheiten.
Wie kann man dieser Entwicklung seitens der Behörden be-
gegnen?
Braun: Man sollte regelmäßige Pflichtuntersuchungen von
Prostituierten durch das Gesundheitsamt wieder einfüh-
ren. Außerdem könnte man bei einer Neufassung des Prostitu-
tionsgesetzes diese hohen Mieten verbieten.
Wie hoch ist der Anteil der Zwangsprostitution am gesam-
ten Rotlicht-Gewerbe?
Braun: Nach wie vor gibt es neben der selbstbestimmten
Tätigkeit mit angemessenen Arbeitsbedingungen in großem
Umfang Zwangs- und Ausbeutungsverhältnisse.
Wie intensiv sind die Kontrollen der Kripo?
Braun: Insgesamt hat die Kripo im vorigen Jahr 147 Kontrol-
len gegenüber 148 im Jahr 2007 in Bordellen, Bars,
Swinger- und Saunaclubs, Hostessenwohnungen sowie
auf dem Straßenstrich durchgeführt. Wir haben 563 Perso-
nen gegenüber 483 im Jahr 2007 überprüft. Allein auf-
grund der Kontrolltätigkeit der Kripo wurden im Zeitraum von
2005 bis 2007 fünf Ermittlungsverfahren wegen Men-
schenhandels im Saarland initiiert. Dennoch gibt es rückläu-
fige Verfahrenszahlen im Deliktsfeld Menschenhandel zur
sexuellen Ausbeutung.
Warum ist das so?
Braun: Es gibt Frauen aus Osteuropa, die in ihrer Heimat
aus so zerrütteten und gewaltgeprägten Familienverhältnis-
sen stammen, dass sie sich hier gar nicht als Opfer begreifen.
Zudem wissen Zwangsprostituierte oft nicht, wie sie sich bei
Polizei-Kontrollen verhalten sollen. Sie wissen nicht, ob sie
sich selbst strafbar gemacht haben, ob die Polizei auf ihrer Sei-
te steht und ob sie nach einer Aussage womöglich gegen ih-
ren Willen in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Muss die Polizei demnach ihre bisherigen Strategien überden-
ken?
Braun: Wir brauchen besonders ausbildete Polizeibeam-
tinnen und Polizeibeamte, die Anzeichen von Menschenhan-
del als solche wahrnehmen und für die Situation der Frauen
sensibilisiert sind. Wir benötigen im Bereich der Prostitution
Street-Workerinnen. Und wir müssen verstärkt aufklären
sowohl hier als auch in den Heimatländern der Prostituierten.
Bei unseren Kontrollen in Bordellen müssen wir möglichen
Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution eine
größtmögliche Sicherheit vermitteln
Hintergrund :
In die Diskussion um die seit Jahren von der Saar-
Kripo geforderte Genehmigungspflicht für Bordelle
und bordellartige Betriebe kommt Bewegung. Wie
das saarländische Wirtschaftsministerium auf
SZ-Anfrage mitteilte, wird sich der Bund-Länder-
Ausschuss (BLA) Gewerberecht im Mai erneut mit
dem Thema befassen. Zuvor hatten sowohl die Frauen-
als auch die Wirtschaftsministerkonferenz des Bundes und der Länder
darauf gedrängt, die Angelegenheit wieder auf
die Tagesordnung zu setzen.
Der BLA Gewerberecht hatte eine Genehmigungspflicht
bisher abgelehnt, weil er der Ansicht war, dass Prostitution kein Gewerbe
sei. Dagegen ist die Kripo für eine Genehmigungspflicht,
weil aus ihrer Sicht eine Unterscheidung zwischen genehmigten
und illegalen Bordellen neue Ansätze zur Bekämpfung
von Frauenhandel und Zwangsprostitution eröffnen würde.
"Manche Leute kaufen sich von dem Geld, das sie nicht haben, Sachen,die sie nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen."