02.04.2010, 18:04
Zitat:Ist denn schon der erste April?
„15 € Sexsteuer pro Tag“ sollen die Prostituierten an der Ravensbergerstraße ab Sommer 2010 bezahlen, so meldet es die Presse. Die erwarteten Einnahmen von geschätzten 440.000 € sollen den Kindern in der Nordstadt zugute kommen.
Viele Dortmunder dürften bei diesen merkwürdigen Meldungen verwirrt auf ihren Kalender geschaut haben… nein, es ist noch nicht der erste April.
Doch auch der gemütliche Fernsehabend des 24.März 2010 kann die Verwirrung nicht auflösen, denn das WDR Lokalfernsehen bringt ebenfalls einen Beitrag zu diesem Thema.
Der Stadtkämmerer erklärt vor laufender Kamera, offensichtlich höchst amüsiert, dass man ja auch Monatsvignetten verkaufen könne, das kenne man ja von einer Fahrt über die Alpen. Stimmt vielleicht doch etwas nicht mit dem Kalender?
Nun, wer genau hinhört, kann dem Kommentar neben den Bildern vom vergnügten Herrn Stüddemann noch eine weitere, aufklärende Information entnehmen. Da heißt es nämlich:
„Mit der hohen Straßenstrichsteuer sollen die Prostituierten ganz von der Straße verdrängt werden.“ (Zitat WDR Lokalfernsehen Dortmund 24.03.2010)
Ach sooo ist das! Es geht also weder um Einnahmen fürs gebeutelte Dortmunder Stadtsäckel noch um Projekte für Kinder in der Nordstadt… es geht um Verdrängung der Straßenprostituierten schlechthin… JETZT verstehen wir das. Der Strich soll weg! Na, warum sagt man das denn nicht gleich, da hätten wir uns dem Umweg über die Alpen und die Nordstadt-Kinder auch sparen können.
Nun, der Umgang mit dem Thema Prostitution in Dortmund ist in den letzten Jahren immer wieder spannend gewesen, aber die Idee der kompletten Abschaffung der Straßenprostitution ist neu. Na ja, so neu nun auch wieder nicht, immerhin versuchen Kommunen seit dem frühen Mittelalter immer mal wieder erfolglos, sie abzuschaffen. Am 27.Mai entscheidet der Rat über diese Frage, beziehungsweise über die Frage der Vergnügungssteuer für Straßenprostituierte, mit dem erklärten Ziel, die Frauen zu verdrängen. Bleibt abzuwarten, ob sich die Ratsvertreter von einem Stadtkämmerer so verwirren lassen, wie wohl manch Dortmunder Bürger bei den aktuellen Medienberichten.
Um der allgemeinen Verwirrung ein wenig Herr zu werden, hier mal zunächst eine Klärung verschiedener Begrifflichkeiten, die in den Medien immer mal wieder gerne verwechselt werden:
Einkommenssteuer… müssen Prostituierte natürlich als selbstständige Dienstleistungsanbieterinnen zahlen. Die gültige Steuernummer muss bei regelmäßigen Personenkontrollen auf der Ravensbergerstraße vorgelegt werden.
Pauschalsteuer… auch unter dem Begriff „Düsseldorfer Modell“ bekannt, bezieht sich auf eine juristisch höchst umstrittene Sonderregelung für Prostituierte. Durch eine täglich zu zahlenden Pauschale soll eine Vorauszahlung auf die Einkommenssteuer geleistet werden. Ein einigen Kommunen wird das Düsseldorfer Modell angewendet. Bordell- und Clubbetreiber kassieren die Pauschalbeträge von den bei ihnen tätigen Frauen und führen sie ans Finanzamt ab. Nach dem Einkommenssteuerbescheid der einzelnen Frau wird dann entweder vom Finanzamt zu viel gezahlte Steuer erstattet oder eine Nachforderung erhoben. Viele Frauen wissen aber nicht, dass sie eine Einkommenssteuererklärung abgeben müssen, obwohl sie täglich Pauschalsteuern bezahlen. Oft wissen die Frauen nicht einmal, dass sie sich die gezahlte Pauschalsteuer quittieren lassen müssen. Das Finanzamt selbst hat ja bei diesem Modell auch keinerlei Kontakt zu den Frauen und kann sie daher auch nicht angemessen über ihre Rechte informieren.
Vergnügungssteuer… gerne in der Presse als „Sexsteuer“ bezeichnet, ist eine zusätzliche Steuer, deren Umsetzung eine Kommune sozusagen „frei erfinden“ kann. Theoretisch könnten sich die Kommunalpolitiker selbst mit einer täglichen Vergnügungssteuerpauschale belegen, für das Vergnügen, Dortmund zu regieren. Die haben wenigstens Toiletten an ihrem Arbeitsplatz. Diese Vergnügungssteuer ist eine zusätzliche Steuer, die nichts mit der – sowieso zu entrichtenden- Einkommenssteuer zu tun hat und unabhängig vom Gewinn pauschal kassiert werden darf. Und genau um diese „Vergnügungssteuer“ geht es bei dem Vorschlag des Stadtkämmerers.
Wir von KOBER schätzen, dass nur eine sehr kleine Minderheit der Frauen auf der Ravensbergerstraße in der Lage wären, diese Zusatzsteuer von 15 € täglich zu entrichten. Der erste „Job“ des Tages also für eine Art „Spende“ für die Nordstadtkinder? Sollen also unsere Kinder auf schönen neuen Spielgeräten turnen, für die Straßenprostituierte sexuelle Dienstleistungen anbieten mussten?
Nein, in Wirklichkeit ja nicht. In Wirklichkeit soll ja der Straßenstrich durch diese merkwürdige Idee abgeschafft werden. Zumindest wird das im WDR-Beitrag so erklärt.
Schauen sie selbst einmal rein und hören sie gut zu:
www.wdr.de/mediathek/html/regional/2010/03/24/lokalzeit-dortmund-sexsteuer.xml
Haben sie es mitbekommen? Im Kommentar heißt es weiter:
„Eine Abwanderung ins Wohngebiet will man durch Kontrollen verhindern.“ (Zitat WDR Lokalfernsehen Dortmund 24.03.2010)
Ach, das geht? Also, Prostitution im Wohngebiet durch Kontrollen verhindern? Na, dann mal los, damit können sie sofort anfangen. In den letzten Jahrzehnten hat das jedenfalls mit Hilfe repressiver Maßnahmen nicht funktioniert. Vielmehr hat erst die Einrichtung eines "offiziellen" Straßenstrichs für mehr Ruhe in den Nordstadt-Wohngebieten gesorgt.
Wenn es also darum geht, die Frauen zu vertreiben, dann muss man auch gar nicht irgendwelche möglichen „Einnahmen“ durch die Sexsteuer hochrechnen. Denn dann ist die Ravensbergerstraße leer, und das bleiben auch die „Bauchläden“ der Finanzbeamten, die morgens und abends dort flanieren sollen.
Etwa 600 Frauen gehen auf der Ravensbergerstraße im Jahresverlauf der Straßenprostitution nach. Dortmund, als Großstadt mit entsprechendem Umland, wird nach wie vor Straßenprostitution haben. Daran werden die amüsanten Ideen des Stadtkämmerers nichts ändern. Die Frage ist nur, wo und unter welchen Umständen für die Frauen die Prostitution in Zukunft in Dortmund stattfinden wird.
Kirsten Cordes für die Beratungsstelle KOBER
Quelle: Webseite KOBER